Was wissen wir über die Familie Escher?
Alfred Escher (1819–1882) stammt aus einer Zürcher Familie. Der Onkel Alfred Eschers, Friedrich Ludwig Escher (1779–1845), hatte Verbindungen zur Sklaverei. Friedrich lebte seit 1815 in der spanischen Kolonie Kuba. Er besass dort die Kaffeeplantage «Buen Retiro» (= «Gute Erholung»).
Als Friedrich Escher starb, machte ein Beamter eine Liste über den «Besitz» Eschers. Auf dieser Liste wurden neben Landbesitz, Häusern und Tieren auch 86 «Sklaven beider Geschlechter» erwähnt und deren «Wert» geschätzt. Friedrichs Bruder, Heinrich Escher-Zollikofer (1776–1853), der Vater von Alfred Escher, wurde zum Haupterben. Heinrich Escher-Zollikofer lebte in Zürich. Vermutlich liess er die Kaffeeplantage und die restlichen Besitztümer verkaufen. Was geschah dabei mit den Sklavinnen und Sklaven? Diese Menschen galten nach spanischem Recht ebenfalls als «Besitz». Es ist wahrscheinlich, dass auch sie verkauft wurden. Vielleicht mit einer Ausnahme: Bevor Friedrich Escher starb, hatte er in seinem Testament festgehalten, dass eine junge Sklavin namens Serafina und ihre Tochter Albertina frei gelassen werden sollten. Historiker vermuten, dass Serafina die Geliebte und Albertina die Tochter von Friedrich Ludwig Escher gewesen sein könnte. Das Mädchen tauchte in der «Inventarliste» nach dem Tod Eschers jedenfalls nicht auf. Möglicherweise wuchs sie in einer Pflegefamilie auf. Genaueres weiss man bis jetzt nicht. Wie reich wurde die Familie Escher durch die Sklaverei? Der Historiker Zeuske schätzt, dass Heinrich Escher von seinem Bruder rund 40000 Silberpesos erbte. Das wären heute zwischen 1.2 bis 1.4 Millionen Schweizer Franken.[1]
[1] Zeuske Michael Max Paul, Tod bei Artemisa. Friedrich Ludwig Escher, Atlantic Slavery und die Akkumulation von Schweizer Kapital ausserhalb der Schweiz, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte (1/2019), 6–26.